Buschkowsky: Die Stimme des Blutes deines Bruders

Heinz Buschkowskys Vorabdrucke aus seinem offen rassistischen Buch „Neukölln ist überall“ werden derzeit in der BILD-Zeitung abgedruckt. „Wo bin ich denn hier eigentlich? Ist das noch meine Stadt, meine Heimat?“, fragt sich Buschkowsky. Ja, möchte ich sagen, das ist Deine Heimat, und meine auch, und das was Du sagst haben schon viele vor Dir gesagt, und sie haben sich damit sogar sehr heimelig gefühlt.

„Wir erziehen unsere Kinder zur Gewaltlosigkeit. Wir ächten Gewalt in der Begegnung und bringen das unserem Nachwuchs bei. Andere bringen ihren Jungs bei, stark, tapfer und kampfesmutig zu sein. Die Ausgangssituation ist einfach ungleich.“

Ich lese so etwas, und ich wundere mich nicht. „Im Zweifel gilt es, der ethnischen Schwester und dem ethnischen Bruder zu helfen.“ Auch darüber wundere ich mich nicht. Ich denke: „Vox sanguinis fratris tui clamat ad me de terra.“ Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde.

Buschkowsky ist 1948 geboren. Ich kam 1980 auf die Welt. Als er 1991 das erste Mal Bezirksbürgermeister wurde, wurde ich von meiner Klassenlehrerin im Unterricht nach vorne gebeten, damit ich erklären sollte, wie ich mich zum Irak-Krieg positioniere. Ich wusste damals nicht, wo der Irak liegt, aber das interessierte die Lehrerin nicht – als ethnische Schwester im weitesten Sinne würde ich ja schon etwas irgendwie Erhellendes sagen können. Ich sagte das, was jede_r meine_r Klassenkameraden gesagt hätte, weil wir alle dasselbe Kinderwissen aufgebaut hatten, das Fernsehfetzen hinterlassen. Dass ich Krieg doof finde, und Saddam Hussein auch, und das wusste ich, dass ich nicht mehr zu sagen hatte als meine Altersgenossen im selben Klassenraum, aber ich wusste auch: Wenn ich es sage, ist es etwas anderes, weil ich in den Augen der gesamten Klasse, der Lehrerin, „zu denen“ gehörte, gegen die gerade Krieg geführt wird.

Und weil ich „zu denen“ gehörte, und weil nicht nur die Klassenkameraden und die Lehrerin das so sahen, weil „wir“ zu denen gehörten, begab es sich zu derselben Zeit, dass wir zuhause Drohanrufe bekamen von einem gelangweilten, aggressiven Typen, der uns im Telefonbuch aufgespäht hatte, ganz zufällig. Er hatte eine Krächzstimme, die er noch krächziger verstellte, und schrie immer irgendwas mit „Saddam Hussein“ und „Verreckt doch!“ in den Hörer. Am Ende ignorierten wir Geschwister ihn und krächzten manchmal lachend „Verreck doch selber!“ ins Telefon zurück, obwohl wir eigentlich nicht mehr an den Apparat gehen durften zu der Zeit. Meine Eltern wollten nicht, dass uns diese Vorfälle belasten. Dank Fangschaltung konnte der Mann irgendwann gefasst werden. Er war Lehrer. Ich war elf und ich denke, das Wort Rassismus hatte ich damals noch nie gehört. Ich stehe bis heute nicht im Telefonbuch.

Als Buschkowsky 1992 stellvertretender Bezirksbürgermeister wurde, stellte im Herbst desselben Jahres mein Deutschlehrer auf dem Gymnasium fest, dass ich eine Namensvetterin hatte, die 1977 an der Landshut-Flugzeugentführung der RAF beteiligt war. Er hatte einen Zeitungsartikel dabei: Eine antiimperialistische Widerstandszelle würde jedes Jahr den Todestag meiner Namensvetterin feiern stand da drin, und mein Deutschlehrer hatte einen Riesenspaß. Jeder Terror-Witz, der ab da über mich in Zukunft gemacht werden sollte, erhielt ab sofort eine neue Qualität.

Als Buschkowsky von 1999 bis 2001 Bezirksstadtrat war, hatte ich gerade mein Studium begonnen und mir bereits mehrfach erklären lassen müssen, dass ich einen „Migrationshintergrund“ habe. Ich hatte meinen Führerschein gemacht und wurde vom Fahrlehrer, der sehr nett war, jede Woche im Theorieunterricht vor versammelter Mannschaft gefragt, wann ich denn nun mal mit dem fliegenden Teppich anreisen würde. Ich zog in ein Haus in meiner Studienstadt, und über mir wohnte ein Neo-Nazi, der seine Kameraden jedes Mal im Hausflur lautstark darüber aufklärte, ich sei „Nordafrikanerin“, wenn er mit ihnen meine Haustür passierte. Manchmal hatte ich das Bedürfnis, ihm einen Atlas zu schenken. Ich lernte in der Universität, was strukturelle Gewalt ist und institutionelle Diskriminierung, und wenn ich manchmal Fernsehen sah, dann wusste ich, dass Politiker_innen darüber niemals etwas gelernt hatten.

Als Buschkowsky im Dezember 2001 Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln und Leiter der Abteilung Finanzen, Wirtschaft und Sport wurde, hatte ich im Rahmen des Vertriebsjobs, dem ich damals neben dem Studium nachging, etwa 29 Mal von Kunden die als „Witz“ gemeinte Frage gehört, wie lange ich noch im Land bleiben dürfe. „Frau bin Laden, arharharhar, Frau bin Laden,“ grunzten einige, „wann müssen sie denn jetzt ausreisen?“

Als Buschkowsky 2006 das Projekt „Stadtteilmütter in Neukölln“ ausdehnte, hatten mir meine Professor_innen bereits etwa hundertmal nahegelegt, die Islamsoziologie zu fokussieren, oder zumindest Terrorismus-Ansätze, mich mindestens jedoch auf Orientalismus-Theorien zu konzentrieren, denn: „Das ist das, was sie am besten können“. Ich war 26 und hatte damals keine Vorstellungen von typisch weißen, typisch nicht-weißen Themen.

Ich saß in einem sozialanthropologischen Seminar zu Multikulturalismus-Theorien, und die Jahrgangsbeste, die bisher alle Prüfungen mit Bestnoten abgelegt hatte, meldete sich und sagte, dass sie auf der Straße „selbstverständlich“ Angst habe wenn sie dort „so einen richtigen Araber mit Bart“ sähe. „Das ist doch ganz normal.“ Wir hatten gerade das Grundstudium abgeschlossen. Ich saß im Seminarraum und dachte zum ersten Mal bewusst über die Qualität des deutschen Bildungssystems nach.

Ich habe in meinem Leben vielleicht etwa 1664 Mal meinen Namen buchstabiert – wenn man davon ausgeht, dass ich in etwa einmal pro Woche in eine Situation komme, in der das nötig ist. Siegfried Heinrich Emil Anton Dora habe ich wahrscheinlich bisher öfter gesagt als meinen eigenen Vornamen, und das stört mich nicht, und vielleicht könnte ich mich aber auch fragen: Wie oft hat Herr Buschkowsky seinen Namen bisher buchstabieren müssen?

Als Buschkowsky 2010 seinen Sozialistenhut verliehen bekam, hatte ich gerade einen Job im Diversity-Bereich einer bundesweit operierenden Firma angetreten. Ich sollte Mitarbeiter_innen für „Diversity“ sensibilisieren, studierte Akademiker_innen aus dem vorwiegend geisteswissenschaftlichem Bereich. Wo ich denn immer „das Kopftuch lassen würde“, wurde ich oft glucksend gefragt. Dass die Firma ja bereits „Diversity“ betreibe, da Leute „wie Sie, Frau S.“ da arbeiten würden wurde manchmal grinsend angemerkt. Ich nahm es hin, und ich wunderte mich nicht.

Als Buschkowsky 2012 diesen Satz veröffentlicht: „Im Zweifel gilt es, der ethnischen Schwester und dem ethnischen Bruder zu helfen“, wird mir zum ersten Mal klar, dass ich ganz bewusst denke: „Ja.“

Ich denke an all die, die Schlimmes erlebt haben und weniger Schlimmes, Subtiles und Direktes, unter der Hand oder ins Gesicht, an all die, neben denen ich im selben Boot sitze, weil wir dort hineingesetzt wurden, nicht weil wir es uns ausgesucht hätten, oder weil wir alle in dieses Boot gehören würden, sondern weil es für uns ausgesucht wurde. Und ich denke: „Vox sanguinis fratris tui clamat ad me de terra.“ Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde.

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77 Gedanken zu „Buschkowsky: Die Stimme des Blutes deines Bruders

  1. Warum wundert es wieder keinen, dass ausgerechnet die BILD diese Scheiße auch noch promotet? Ich kriege im übrigen „selbstverständlich Angst wenn ich da so einen richtigen BILD-Leser sehe“, das ist doch ganz normal.

  2. telegehirn sagt:

    Guter Artikel! Buschkowsky wurde aber 2001 und nicht 1991 Bürgermeister von Neukölln.

    • Betroffenheitsmops sagt:

      Guter Artikel.
      Ausser dass er falsch ist. Und deswegen ist er gut.
      Un der Unterschied zwischen Kommunismus und Kapitalismus ist:
      Im Kapitalismus wird der Mensch vom Menschen ausgebeutet. Im Kommunismus ist es umgekehrt.

  3. telegehirn sagt:

    Korrektur: Er war ja tatsächlich in den Jahren 1991 und 1992 kurzfristig Bürgermeister. Erst recherchieren und dann kommentieren, aber das lerne ich nicht mehr. 🙂 Sorry!

  4. DanielaKayB sagt:

    Einw wirklich beeindruckende Antwort. Danke, dass Du uns diesen Einblick in Dein Leben gewährst.

  5. grautöne sagt:

    Danke für den schönen Artikel! Er macht mir (grundlos, ja, ich weiß) bessere Laune. Also nochmal: Danke.

  6. Einer der vielen Schwestern im post-faschistischen Deutschland sagt:

    Deine Worte in Allahs Ohren! Empowerment of the day.

  7. Janne sagt:

    Danke für diesen Einblick.
    Ich selbst werde nur gelegentlich gefragt, ob ich aus „Russland oder Polen oder sonst irgendwo im Osten“ komme, wegen meines Nachnamens. Diese als Scherz verpackte Art von Rassismus ist diejenige, die mich am meisten nervt, weil es schwer ist, den Leuten klar zu machen, dass das, was sie da gerade gesagt haben, rassistisch ist, „War doch nur n Scherz“ und so.
    Bullshit -.-

    • besucher sagt:

      Und wenn es nur einfach Interesse an ihrer Herkunft ohne Wertung ist? Diese Möglichkeit scheidet von vornherein aus?

    • janna sommerfeld sagt:

      ich habe auch einen (zugegebenermaßen englischen) nachnamen, der fremd klingt. ich nehme eine nachfrage nicht als rassismus wahr und halte das im übrigen auch für falsch, denn faktisch hat dieser name ja einen ursprung in einem anderen land – so what?

  8. Daniel sagt:

    Vielen Dank auch von mir – einem „privilegierten Weißen“, der jeden Tag versucht nicht gänzlich ungerecht zu leben, sich zu hinterfragen und Menschen wie dir sehr dankbar ist, dass sie mich an ihrem Erleben teilhaben lassen.

  9. G sagt:

    DANKE !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

  10. Ina Na sagt:

    SUPER!!! Es tut mir so unendlich leid und ich schäme mich zutiefst dafür über deine/eure Erlebnisse! Danke, dass du so und über diesen Weg aufklärst. Weiter so!

  11. […] Rassismus einen Keil zwischen die hier lebenden Menschen treiben will (und den Nadia Shehadeh so treffend erklärt, wie ich es in meiner priviligierten Lage kaum […]

  12. Rashid sagt:

    Ich habe auch einen arabischen Migrationshintergrund und ich muss sagen, dass man Eindrücke anderer Menschen mit persönlichen Eindrücken gänzlich wegreden kann.

    Ich habe Buschkowsky nie ganz verstanden, er kritisiert pausenlos und wird dennoch wiedergewählt – scheint mir also doch nur ein stupmfes „Schwert“ zu sein. das wird auch dieses Buch nicht ändern.

    Ich war der einzige Araber in meiner Klasse, aber ich gehörte nie „zu denen“, warum auch? Keine Ahnung, was Du für komische Lehrer hattest, aber ich vermute einfach mal, dass diese Verhaltensweisen auf vorherigen Erfahrungen beruhten. In einer mittelgroßen hessischen Universitätsstadt wäre es sicherlich anders verlaufen, als in einem „Problembezirk“. Liegt aber höchstwahrscheinlich an den Problemen. Hier gibt es keine libanesischen Familienclans, die sich bekriegen.

    • shehadistan sagt:

      @Rashid: Kleinstadt-Experiences.

      • rashid sagt:

        Universitätsstadt. Dennoch, was ich Dir sagen will: Es ist zum Glück nicht immer so, aber das gibt es leider überall. Ob hier, in Asien, Amerika oder sonstwo.

      • shehadistan sagt:

        Das hier sind ja nur komprimierte Zusammenstellungen, die in der Masse vielleicht demoralisierend wirken, einmal aufgezählt. Und zusätzlich muss ich noch betonen dass man als halbwegs privilegierter Mensch damit natürlich immer noch die Disneyland-Variante erlebt hat.

      • Rashid sagt:

        Definiere „halbwegs previligierter Mensch“

    • Jensen sagt:

      Ich gebe Dir Recht Rashid, und Dein Kommentar ist klasse und trifft die Sache auf den Punkt.

  13. Fritz sagt:

    Tja wenn man in sozialanthropologischen Seminaren zu Multikulturalismus-Theorien sitzt, bekommt man halt ein verzerrtes Bild der Welt. Warst du mal in Asien oder Südamerika?
    Du wirst als Europäer genau das gleiche erleben. Ich bin jedenfalls immer wieder ganz baff, wenn man meint, mir eine Freude zu machen, indem man mich mit „Heil Hitler“ begrüßt.

    • shehadistan sagt:

      Zu Anmerkung 1: Nein. Zur darauffolgenden Frage: Ja.

    • Rashid sagt:

      Ich war auf beiden Kontinenten, die Menschen dort haben weniger „Berührungsängste“ so einen Spruch rauszuhauen – warum auch es liegt in der Vergangenheit und von ihnen selbst Kilometer weit entfernt. Wobei Asiaten eher zurückhaltender sind.

      • Ach bitte, das ist sowas von nicht dasselbe. Ich hab in Südostasien gelebt, und sogar als Minderheit da ist weiss-sein immer noch ein Zeichen von Privilegien, d.h. „was gutes“. Auch ich hab schon dumme Sprüche gedrückt bekommen da, auch von Freunden. Mein liebster war „wenn du am Samstag nicht schon damit beschäftigt bist, Juden umzubringen, dann könntest du doch bei uns zum Grillen vorbeikommen.“

        Das ist natürlich Mist, ändert aber nichts daran dass mein weiss/deutschsein mir Vorteile verschafft, keine Nachteile.

      • Rashid sagt:

        Und? was ist Dein Problem? Als Deutscher wird man halt in Übersee als Nazi dargestellt oder zumindest in irgendeiner Weise (positiv od negativ) in Verbindung gebracht. Get over it. Die Leute wissen es nicht besser, genauso wie es hier manche auch nicht besser wissen. Das ist aber nicht die Regel, sondern die Ausnahme.

      • Haseran sagt:

        Rassismus ist leider nicht die Ausnahme, sondern die Regel.
        Schön für dich wenn du verschont geblieben bist, bis jetzt.

      • Rashid sagt:

        Ja. Seltsam, wie ich das die letzten knapp 30 Jahre so geschafft habe. Vielleicht bin ich die Ausnahme, vielleicht aber auch die Regel.

      • Melish sagt:

        Ich bin in einer von „Ausländern“ verschonten und von deutschen Akademikern umgebenen Gegend aufgewachsen, und dennoch durfte ich rassistische Kommentare hören, die unberechtigt, also nicht auf vergangenen Erfahrungen basierende Urteil waren. Statt anderer Erfahrungen nichtig darzustellen, solltest du sich glücklich schätzen.

        Trotz guter und enger Freundschaften hört man am Ende einer Diskussion oder einer ganz normalen Unterhaltung kitschige, rassistische Aussagen.

      • Raschid sagt:

        Du scheinst es nicht ganz zu raffen, oder? Ich negiere gar nichts. Ich stelle nur meinen Sachverhalt dar und behaupte, dass solche Situationen eher in einem sozial problematischeren Umfeld entstehen. Natürlich kommt es auch darauf an, wie man Rassismus versteht. Für manche fängt es schon nach der Frage der Herkunft an, bei anderen mit einem geschmacklosem Witz und wiederum andere müssen erst richtig derb beleidigt werden. Ich würde auch nicht behaupten, dass ich „nur Glück“ gehabt habe. Ich bin ziemlich sicher, dass es vielen genauso ergeht wie mir. Und falls doch mal ein blöder Spruch von einem Akademiker kommt, sollte man auch immer einen sehr treffenden Spruch parat haben.

        Ich sag Dir, was mich wirklich aufregt. Was wir hier bemängeln, darf ganz klar nicht negiert werden und dennoch jammern wir auf einem hohen Niveau, wenn ich mir ansehe, wie Arbeiter aus Sri Lanka, den Philippinen oder sonstwo in arabischen Ländern behandelt werden. Aber das ist ein anderer Sachverhalt und wir müssen erst einmal vor unserer hiesigen Tür kehren.

  14. maziarworld sagt:

    Leider schreiben so wenige Leute wie du und wenn ich manche sogenannte Frauenbewegungen, die mit Geldsegen beglück und ausgenutzt werden, die nur eine Funktion erfüllen sollen und zwar die Menschen als Untermenschen darzustellen, sehe, muss ich sagen, schreib weiter.

  15. […] [Crosspost] Facebook | | Heinz Buschkowskys Vorabdrucke aus seinem offen rassistischen Buch “Neukölln ist überall” werden derzeit in der BILD-Zeitungabgedruckt. “Wo bin ich denn hier eigentlich? Ist das noch meine Stadt, meine Heimat?”, fragt… […]

  16. Reiner sagt:

    Riesen Lob für diesen Text, auch schon drüben bei der mm ein ‚MEGA‘ hinterlassen. Durch Sarrazin weiß man, dass das vielleicht nicht sein letztes Buch in die Richtung gewesen sein könnte. Texte wie deiner geben mir Hoffnung, dass diesmal die Debatte nicht scheitert im Nachgang…

    Wir bleiben dran.

  17. Anne Alter sagt:

    Der Schwachsinn, dem Menschen mit Migrationshintergrund (oder solche, die wie welche aussehen) tagtäglich ausgesetzt sind, ist wirklich unbeschreiblich. Ich bewundere jeden, der da die Nerven behält. Ich hätte sie nicht.

    Viele Grüße
    Anne

    • Raschid sagt:

      Doch, lässt sich eigentlich sehr gut beschreiben, fraglich ist nur, welche Absicht dahinter steckt. Manche können nur einfach nicht damit umgehen und verhalten sich ungeschickt. Andere haben mit dem Araber schlechte Erfahrungen gemacht und mögen Italiener…

  18. Walid sagt:

    Was soll man dazu sagen? Nadia Shehadeh ist die Stimme des Blutes Deines Brudes. Groß, ganz groß. Danke.

  19. […] Nadia beschreibt in eindrücklichen Worten ihre Erlebnisse mit dem in Deutschland vorherrschenden alltäglichen Rassismus: Ich saß in einem […]

  20. Tiffany sagt:

    Hallo, sehr guter Beitrag. Dieses Wort schon alleine „Migrationshintergrund“!!?? Ich bin Deutsche, habe Afroamerikanische Wurzeln, bin mit einem Afghanen vereiratet und muslimisch. Diese Tatsachen, sind für viele hier im Land einfach zu viele unbekannte Nenner. Ich fühle mich, obwohl ich nichts anderes kenne, oder besser gesagt man gibt mir das Gefühl – hier nicht zuhause zu sein, obwohl ich meine Heimat liebe. Meine Kinder werden gleich, als Kinder mit Migrationshintergrund abgestemmpelt, und anders behandelt. Die täglichen Diskussionen und die täglichen rechtfertigungen, rauben mir den Verstand. Muss ich wissen warum in Ägypten oder anderswo Christen verfolgt werden!!!! Nein… ich liebe meine Religion und verurteile dies genauso. Sorry…. musste ich jetzt mal loswerden. Aber wenn man heutzutage immer noch hört das Multikulti gescheitert ist… dann möchte ich echt mal Wissen wo das noch hinführt.

    • Rashid sagt:

      Musst Du wissen warum Christen in Ägypten oder anderswo verfolgt werden? – Ich finde ja. Das ist Deine Pflicht, wenn Du Dich selbst als tiefgläubig bezeichnest, auch mit solchen Dingen auseinanderzusetzen. Du stellst fest, dass etwas schief läuft und willst die Hintergründe nicht verstehen? Wie willst Du es dann ändern oder verbessern?

      Ich sag Dir warum Multikulti gescheitert ist, weil Multikulti von Konfliktlosigkeit ausgeht. Hier gibt es aber schwerwiegende Konflikte und ich rede nicht davon Tunesier die Position zum Irakkrieg zu befragen, sondern alltägliche. Das fängt schon mit der Erziehung von Kindern an. Buschkowsky macht schon seit Jahren auf Probleme in seinem Bezirk aufmerksam (komisch, dass er sie nicht in den Griff bekommt). Es muss endlich klartext geredet werden. Was erwartet der Staat von Immigranten und deren hiergeborenen Kindern und was erwarten Immigranten und Nachkommen vom Staat. Man kann es sich so leicht machen und hinter jeder „Kartoffel“ einen Rassisten vermuten oder man kann selbst die Initiative ergreifen und Wote durch Taten folgen lassen!

      • Wilfried sagt:

        Wer meint denn, dass Multikulti konfliktlos sein muss? Das ist doch auch nur eine Idealisierung, die dazu geneigt ist, das Konzept für gescheitert zu erklären.

      • Rashid sagt:

        Das schafft schon die Verniedlichung des Begriffs „Multikulturalismus“ von selbst. Ein anderes Ideal wäre auch völlig verfehlt. Die Idee, dass „Multikulti“ für gescheitert erklärt wird, ist im Prinzip nichts anderes als eine theoretisches Gesellschaftsmodellnicht auf die Realität anwendbar ist. Konflikte sollen durch sog. „interkulturelle Erziehung“ minimiert werden, mit anderen Worten weitestgehend beseitigt werden.

    • arprin sagt:

      Der Begriff „Migrationshintergrund“ ist nicht rassistisch. Es soll nicht die ethnisch nicht 100%-Deutschen daran erinnern, dass sie eigentlich gar nicht deutsch sind. Diese Argumentation finde ich bemerkenswert. Das Wort „Deutscher“ ist im Wort „Deutscher mit Migrationshintergrund“ bereits enthalten. Was ist daran so schlimm, dass man als „Deutscher mit Migrationshintergrund“ bezeichnet wird? Solange Arabisch nicht die Amtssprache ist, ist es eben nicht normal, dass man einen arabischen Namen hat und zuhause Arabisch spricht.

      Ich bin selber Migrant und es ist so, dass immer, wenn ich mit „Bio-Deutschen“ zusammen bin, gefragt werde, aus welchem Land ich komme. Das finde ich aber nicht rassistisch. Es ist nun mal so, dass jemand, der mich zum ersten Mal sieht, nicht wissen kann, ob ich einen deutschen Pass habe oder mich als Deutscher fühle. Das ist nicht Rassismus, das ist Taktgefühl. Man sieht eine Person, die nicht eindeutig als Deutsche/r identifizierbar ist, also fragt man: „Welcher Landsmann bist du?“

      Jetzt wird vermutlich eingewendet: Allein schon die Tatsache, dass man von „typischen Merkmalen“ spricht, die ein Deutsche/r hat, ist ein Zeichen von Rassismus. Aber das ist doch Heuchelei. Wenn man in Moskau einen Schwarzen sieht, geht man nicht automatisch davon aus, dass er Russe ist. Wenn man in der Türkei eine Person mit spanischem Namen trifft, geht man nicht automatisch davon aus, dass er ein Türke ist. Der Durchschnittsdeutsche hat keinen arabischen Namen und spricht nicht Arabisch. Da ist es ganz normal und nicht rassistisch, dass man erst mal fragt, welcher Landsmann er ist.

      • Wilfried sagt:

        Ein Durchschnittsdeutscher im Kohlenpott hat oft einen polnischen Nachnamen. Es gibt Deutsche in Berlin und anderswo mit französischen Nachnamen (de Maizière, Lafontaine, et al). Irgendwann wird es auch deutsche Normalität sein Deutsche mit arabischen Nachnamen zu haben. Aber wahrscheinlich erst nachdem Personen wie „arprin“ nicht mehr die Mehrheit darstellen.

      • arprin sagt:

        @Wilfried: Irgendwann wird es auch deutsche Normalität sein Deutsche mit arabischen Nachnamen zu haben. Ganz sicher sogar. Aber momentan ist es nicht so. Deswegen ist es kein Wunder, dass man erst mal nach ihrer Herkunft fragt. Ich habe einen spanischen Namen und werde immer gefragt, woher ich denn komme, obwohl ich mich als patriotischer Deutscher fühle. Aber das stört mich nicht. Über solche Lappalien ärgere ich mich kein Stück. Ich bin nicht so schnell beleidigt.

        Keine Sorge, Leute wie ich müssen nicht verschwinden. Ich fordere kein Ariernachweis. Denn den würde ich selbst gar nicht bestehen.

      • dame.von.welt sagt:

        Für arprin ‚Unser Vibrationshintergrund.
        Was Migranten und Vibratoren gemeinsam haben‘ http://www.zeit.de/online/2009/20/oezdogan-vibrationshintergrund

  21. […] Message: Texte wie die Buschkowskys befördern den alltäglichen Rassismus. Die komplette Antwort von Nadia könnt ihr hier lesen. Eine Rezension zum Buch von uns gibt es kommenden […]

  22. Micha sagt:

    @ Shehadistan

    Toll dass sich jemand vernünftig mit dem Thema auseinandersetzt. Aber wie schon einige meiner Vorblogger schreiben geht das auch anders herum. Ich zum Beispiel bin in Frankfurt am Main in den 70ern zur Schule gegangen und war leider als gebürtiger Deutscher der Aussenseiter. Bei uns gab es Zusammenschlüsse sämtlicher ansässiger Nationen. Wir waren ca 35 Schüler und davon 5 Deutsche. Bedrohungen und Zerstörung von Eigentum zum Zwecke der Einschüchterung waren leider an der Tagesordnung. Wollte man sich wehren wurden die Eltern in die Schule bestellt und aufgeklärt dass die armen Mitschüler den „Ausländer Bonus“ hätten und wir als „Einheimische“ doch Rücksicht zu nehmen hätten. Dies war leider keine Kleinstadt Experience. Und wie heißt es doch so treffend „Der Mensch ist die Summe seiner Erfahrungen…..“ Ich persönlich unterscheide heute Menschen nur noch in zwei Kategorien. Menschen die ich mag und Menschen die ich nicht mag. Herkunft, Hautfarbe und Religion spielen dabei keine Rolle. Ich bin es leid über Rassismus zu reden, denn dieser ist kein alleiniges deutsches Problem. Wir sollten jedoch sehr stark überdenken was wir unseren Nachkommen mit auf den Weg geben…….

  23. emranferoz sagt:

    Toller Artikel, der mich an meine eigenen Erfahrungen erinnert.

    Im Allgemeinen ein sehr lesenswertes Blog!

    Würde mich freuen, wenn Sie auch bei mir reinschauen würden!

    MfG
    EF

  24. Sebastian sagt:

    Du hast es in die Morgenpost geschafft, Nadia! Und zumindest dort sagt man, dass du Berlinerin seist. Schön. Wir hatten dieselbe Kleinstadt, wenn auch vielleicht auch andere experience.

  25. Dietrich sagt:

    Herzlichen Dank für das souveräne Mitteilen eigener Erfahrungen. In der Diskussion fehlt mir der Aspekt, dass es sich bei diesen Problemen evtl. nicht nur um Rassismus handelt, sondern auch um soziale Probleme. Ein bestimmter Teil unserer Bevölkerung kümmert sich nicht um das Wohlergehen des anderen Teiles (Stichwort „Bildungsferne Schichten“). Dieser andere Teil bekommt nur das Notwendigste, um sich zu reproduzieren und für billige Arbeit zur Verfügung zu stehen. Das ist gewollt (?). Die ungenügende finanzielle Ausstattung unseres Bildungssystems gehört dazu. In den 70er Jahren haben wir als Studenten skandiert: „Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber.“ Daran hat sich bis heute nichts geändert.

  26. Ich hoffe in einer Gesellschaft zu leben, in der mit billigem Populismus von Jahr zu Jahr, von Generation zu Generation weniger zu bewirken ist.
    Für jede Schule, die gebaut wird, kann man ein Vorurteil abreißen.

  27. hüseyin gedikli sagt:

    Danke;

    Das ist die Realität.Keiner hätte sie beschreiben können.
    Ich hoffe Sie setzen es fort.

  28. jacob vierling sagt:

    Wie oft hat Herr Buschkowsky seinen Namen bisher buchstabieren müssen?

    Lebt etwa Herr Buschkowsky in Irak?

  29. Anja sagt:

    Vielen Dank für den einblickreichen Artikel. Ich hatte mir den möglichen Alltag in Neukölln nicht so krass vorgestellt. Ich denke, blöde Kommentare kommen, wenn die Menschen nicht so gebildet sind oder/und selbst Probleme im Leben haben (dann ist man eher zum Schimpfen bereit). Ich wünsche, dass du all die unreflektierten blöden Kommentare nicht persönlich nimmst, ich sehe sie eher als ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Probleme, die dabei ans Licht kommen. Ein einander bereicherndes multikulturelles Zusammenleben halte ich aber für möglich, und hoffe darauf.

  30. Rudolf sagt:

    Sehr interessanter Einblick. Das einzige was ich mich frage: Was ist jetzt die Kritik an Buschowsky? Dass die meisten Menschen dumm sind, oder zumindest einen grenzwertigen Humor ändert doch nichts an den tatsächlich bestehenden Problemen (in Neukölln und überall sonst). Ach, wenn man sich mal mit Buschowsky auseinandersetzt, dann wird man sehen, dass er alles ist, aber kein Rassist.

    http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/buschkowskys-gesellschaftsanalyse-das-zuschauen-muss-ein-ende-haben-11896017.html

  31. roseny sagt:

    Guter Text! @ Henning Mühlinghaus: Schliessse mich an.

  32. […] strikt politisch korrekt geschriebene Beitrag von Shehadeh beschäftigt sich kein Stück mit Buschkowskys Buch. Es reicht offenbar schon, zu sagen, dass Teile […]

  33. Wilfried sagt:

    Haben Sie vielen Dank für Ihre Sicht der Dinge, die ich gut verstehe. Ich bin von Ihrer Sprache, von Ihrer Haltung beeindruckt. Als ein Mensch mit Migrationshintergrund (interessant dass die Rechtschreibsoftware dieses Wort nicht mag) habe ich die hiesige Diskussion bez. Gastarbeiterdasein/Integrationsverweigerung mit zunehmender Be- und Entfremdung wahrgenommen.

    Mir hat die Aussage der CDU Vorsitzenden vor annähernd zwei Jahren, dass „Multikulti absolut gescheitert“ sei, die Augen geöffnet.

    Ich bin zwar in Deutschland geboren, fühlte mich eigentlich auch bis 2010 immer als Deutscher, aber seit der obigen Aussage ist mir klar geworden, dass ich kein Deutscher bin, auch gar nicht mehr sein möchte.

    Solange deutsche Rentner in der Türkei, in Spanien, in Portugal, etc, sich nicht bemühen die jeweils dortige Sprache auch nur ansatzweise zu beherrschen; solange deutsche Emigranten mit einer Selbstverständlichkeit davon ausgehen, dass sie überall, in jedes Land einwandern dürfen und können und der Gegenzug nicht möglich ist; solange es eine nicht nur unterschwellige Xenophobie in Deutschland (und auch anderen Ländern) gibt; solange mögen uns deutsche Politiker mit ihren Rat- und Vorschlägen bitte verschonen.

    Die Fähigkeit reflexiv zu denken, ist eine Eigenschaft, die man sich aneignen kann. Reflexive, stukturalistisches Denken öffnet Blickwinkel der Anderen und erweitert Horizonte. Dass sich westliche Politiker dies antun werden ist eher unwahrscheinlich.

    • Rashid sagt:

      Hast Du denn deutsche Rentner im Ausland erlebt? Deutsche Auswanderer halten sich in anderen Ländern auch an die Immigrationsregeln ganz normal, wie es hier ebenso ist. Mein ehemaliger Mitbewohner hat nun die australische Staatsbürgerschaft erlangt, er musste dafür aber auch einiges auf sich nehmen und hat sich wunderbar angepasst.

      Wenn es um Integration und Inklusion geht müssen wir verstärkt auf die klassischen Einwanderungsländer achten. USA, Brasilien, Australien, etc. haben auf dem Gebiet einfach mehr und längere Erfahrung. Es kann nicht schaden, ab und an dort einen blick hinzuwerfen.

      • Wilfried sagt:

        Deutsche Rentner in der Türkei, Spanien, Thailand bilden in jenen Ländern Enklaven, Parallelgesellschaften, wenn man so will. Diese Enklaven sind auch nichts anderes als manch andere Gemeinschaften von Einwanderern in diversen neuen „Heimaten“.

        Die interessanten Frage sind doch: wer verlangt von wem wie man sich in der neuen „Heimat“ zu verhalten hat? Und mit welchen Drohungen werden Abweichungen von vorgeschriebenen Verhaltensmustern geahndet? Wie weit hat eine „Anpassung“ an welche Verhaltensmuster stattzufinden?

        Ich bin seit 1986 regelmäßig für bis zu 10 Wochen im Jahr in den USA. Dieses Land ist ein interessantes Beispiel für ein anderes Verständnis von der Gleichzeitigkeit des Zusammenlebens von Kulturen aus unterschiedlichen Bereichen. Ähnlich übrigens Kanada.

        Spanisch sprechende Mitbürger müssen in den USA nicht unbedingt Englisch können. Englisch war ja auch nicht die Ursprache dieses Landes. Gleichwohl gibt es seitens der Republicans die Forderung das alle Einwanderer Englisch sprechen müssten.

        Trotz der Sprachvielfalt, des erheblichen Aufwandes für Behörden, klappt diese Parallelität. Es wird auch nicht von den Hispanics verlangt, dass sie ihre kulturelle Identität aufgeben, bzw. sich der angelsächsischen Kultur angleichen. Bekanntlich werden die Hispanics in ca. 2 Jahrzehnten wohl ein Drittel der Bevölkerung der USA darstellen.

        Die aktuelle Diskussion um die Zuwanderungsbegrenzung betrifft besonders die Hispanics. Aber der langfristige demographische Wandel wird trotz Grenzzaun nicht aufzuhalten sein.

        Wie gehen also die noch mehrheitlich herrschenden Angelsachsen damit um? Ein heikles Thema, bei dem selbst dem rechten Flügel der Republicans bewusst wird, dass sie, wenn sie die eigene Herkunft vor Augen hat, langfristig schlechte Karten hat, was diesen aber nicht davon abhält, einiges in seinem eigenen Interesse zu tun.

        Welche Rolle soll die Herkunft in der Zukunft überhaupt noch spielen?

        Apropos Entwicklungen aufhalten: Hätten die Native Americans damals (um 1630) die gleichen Einreisebestimmungen und Heimatschutz-Einrichtungen (Homeland Security) gehabt wie sie heute in den USA herrschen, wären wohl noch einige Millionen von ihnen am Leben. Und hätten die Einwanderer sich damals an vorherrschende Kulturen gehalten, gäbe es in den USA heute wohl auch eine weisere, mit den Menschen und der Umwelt respektvoller umgehende Gesellschaft.

      • Rashid sagt:

        Die Frage ist leicht zu beantworten: Die Vorschriften setzt der Staat. Egal wo. Grundsätzlich halte ich es auch nicht für wichtig, wie sich (Ex-)Deutsche im Ausland verhalten. Denn es betrifft nicht unser zusammenleben. Simples Beispiel: Ob hier in Deutschland Moscheen gebaut werden dürfen, bestimmt sich nicht danach, ob in Saudi Arabien Kirchen gebaut werden dürfen, sondern nach dem hier geltenden Recht! Würde man Deiner Argumentation folgen, dürften wir hier auch keine Moscheen mehr bauen, solange in der Türkei wieder und in Saudi Arabien generell Kirchen gebaut werden… macht wenig Sinn, oder?

        Die Franzosen in Kanada hatten im Gegensatz zu den Engländern in den USA ein anderes Verhältnis zu den Indianern. Die Franzosen betrieben mit den Indianern einen Fellhandel und eine erweiterte Partnerschaft. Die Engländer betrieben das Gegenteil. Bis 1992 wurde Australien als terra nullius behandelt bevor die Engländer kamen. Dies wurde 1992 durch das oberste Gericht revidiert und zum ersten Mal sprach man von der Eroberung von Land durch die Krone.

        Die US-Mexikanische Grenze hat eine besondere Bedeutung besonders seit dem amerkanisch-mexikanischen Krieg, Süd-Kalifornien und New-Mexico gehörten vorher – wie es der Name schon verrät – zu Mexiko. Die Englische Sprache ist nunmal vorherrschend, nachdem die Franzosen auch aus dem Süden der USA (Louisianna) zurückgedrängt wurden. Damit muss man sich vorerst abfinden, dass Spanisch als zweite Amtssprache eingeführt werden könnte, ist mMn kein Hindernis. Schließlich hat Südafrika 11 Amtssprachen. Und Sätze die mit „Hätte“ beginnen – also rein spekulativ sind – bringen uns hier nicht weiter. Wir können nur von der aktuellen Situation unsere Schlüsse ziehen, alles andere wäre Zeitverschwendung.

      • Wilfried sagt:

        Die Vorschriften legt der Staat fest, richtig. Aber wer bestimmt die Zusammensetzung der staatlichen Organe? In Demokratien doch auch noch die Bevölkerung.

        Wir sind uns in den Grundsätzen vermutlich näher als der Diskussionsverlauf erscheinen lässt.

        Dennoch, stellt man Vergleiche in den aktuellen und historischen Situationen her, und betrachtet man die Dinge immer gleichzeitig aus mindestens zwei Perspektiven – aus der der Handelnden/Bestimmenden und der der Behandelten/Bestimmten – ist meine Fragestellung immer jene, ob die Bestimmungen/Vorschriften die Menschen in einem Land gleich behandeln oder differenzieren (der Bau von christlichen Kirchen in Saudi Arabien und in der Türkei ist Ländersache, richtig).

        Daran lässt sich aus meiner Sicht der Stand oder eben auch Missstand einer Kultur/Zivilisation ablesen.

        Die vorherrschende Debatte in Deutschland geht immer noch von einer Integrationspflicht der neuen Mitbürger aus, welche eben den Erwerb der deutschen Sprache voraussetzt. Darüber könnte man sich aus pragmatischer Sicht einigen (ich halte nichts von Pragmatismus). Und man könnte meinen, dass diese Voraussetzung doch „selbstverständlich“ sei.

        Wie aber mit den USA und Kanada aufgezeigt, geht es auch anders. Es gibt auch andere Varianten in Europa (GB, Schweden, Niederlande).

        Kulturen und Zivilisationen verändern sich ständig. Das mag man beklagen, man mag versuchen die Entwicklungen zu beeinflussen, sie aufzuhalten.

        Im globalen Prozess des Austausches von Waren und Wissen, mit den heutigen Mitteln der Kommunikation und des Verkehrs muss sich jedes Land, jeder Staat, jede Bevölkerung fragen, ob die Rechte und Pflichten, die man für sich im eigenen Staat festlegt, für alle Mitbürger gelten können und müssen.

        Wenn ja, dann müssten in Deutschland vermutlich manche Mitbürger Nachhilfe in der hochdeutschen Sprache erhalten (damit sie überhaupt verständlich werden, und beispielsweise auch nach Porto fliegen, und nicht nach Bordeaux), Nonnen in Schulen und im öffentlichen Dienst kein Kopftuch tragen dürfen, Kreuze aus Schulen entfernt werden müssen, männliche Kleinkinder nicht beschnitten werden dürfen und Stellenbewerbungen anonym erfolgen müssen.

        Es sind ja nicht viele Forderungen, aber wohl für manche Bevölkerungsgruppen sehr wohl symbolisch differenzierende. Gehe ich da zu weit mit meinen Forderungen?

  34. Krischan sagt:

    Hallo Nadja,

    Glückwunsch! Sie haben’s auf die „Achse des Guten“ geschafft.
    Trotz Ihres Migrationshintergrundes.
    Das schafft nicht jeder:

    http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/kulturalistisches_leiden/

  35. toro sagt:

    Habe enliches erfaren, DANKE. Hier kann mann sich nicht integrieren – meine inzwieschen sehr verlezte Wurde sagt mir “ scheiß-drauf“. Immer noch Wessis hassen Ossis, Ossis die Wessis -wo ist dann Platz für uns Migranten .

  36. stiga sagt:

    sehr gute zusammenfassung der problematik. aber das war leider die logische konsequenz des leute aufteilens, mit labels versehen und sie mit einem repräsentativ-fuer-alle schild im namen der ‚anti-rassismus‘ arbeit vor sich herzutreiben.

    gruppe a sieht einen als ’schlechter’…. eben weil man anders ausschaut, einen akzent oder einen komischen nachnamen hat.
    gruppe b sieht dieselben kriterien jedoch als was ‚positives’…. eben weil man sich aufgrund äusserer merkmale ‚fuehlen muss‘ wie die anderen in der gleichen situation und ein exotischer nachname ausnahmslos ein unternehmen bereichert, da ja know-how ‚aus einem anderen kulturkreis‘ mitkommt.

    als individuum bleibt man da natuerlich auf der strecke da beide gruppen falsche vorstellungen von einem haben. aber so wird’s halt wenn sich selbst anti-rassisten rassistischer aufteilungskriterien bedienen.

  37. PassKreuz sagt:

    Ich wollte in meinem bescheidenen Blog zu diesem Buch ein Kommentar schreiben, obwohl mir eigentlich langsam die Kraft. Es ist so einfach über die Menschen mit Migrationshintergrund zu schimpfen. Wenn so Autoren wie S. und B. wirklich an den sozialen Prolbemen interessiert wären, die es ja sicher gibt, dann würden sie sich mit Lösungen beschäftigen. Aber sie denken die Lösungen vor, die dann NSU, Verfassungsschutz und Polizei ausführen.

    Der Blogbeitrag hier ist jedenfalls so gut geschrieben, dass ich in meinem Blog auf einen eigenen Beitrag verzichten und auf diesen verlinken werde.

    Danke.

  38. kingkenny7 sagt:

    Sehr guter Text, Chapeau! Ich könnte noch viel dazu schreiben, aber zur späten Stunde belasse ich es einfach mal dabei.

  39. […] Buschkowsky: Die Stimme des Blutes deines Bruders : […]

  40. MB sagt:

    Der „Berliner Morgenpost“ gebührt Dank dafür, dass sie den ausführlichen Blog von Nadia Shehadeh auf der Doppelseite über das neue Buschkowsky-Buch veröffentlicht hat. Er ist symptomatisch für die Missverständnisse, die manche Menschen mit „Migrationshintergrund“ haben – um dieses Wortungetüm hier mal zu benutzen.

    Nadia Shehadeh beklagt sich zu Recht, Plumpheiten, Takt- und Gedankenlosigkeiten ausgesetzt worden zu sein. Sie vermutet hier einen versteckten, weit verbreiteten Rassismus. Bei ihrem Neonazi-Nachbarn mag das sicher zutreffen. Ich darf ihr aber versichern, dass es mir als „Herkunftsdeutschen“ im In- und Ausland nicht anders ergangen ist. Gewiss öfter als sie habe ich meinen Namen buchstabieren müssen, bin Plumpheiten, Takt- und Gedankenlosigkeiten aller Art begegnet.

    In der Türkei glaubte man mir z. B. eine Freude zu machen, indem man beteuerte, Hitler sei ein „großer Mann“ gewesen. In England brillierten junge Leute mit deutschen Vokabeln in drolligem Akzent: „Blitzkrieg“, „Luftwaffe“. Das Erste habe ich freundlich, aber deutlich zurück gewiesen, das Andere habe ich mit Humor aufgenommen, woraus sich übrigens eine echte Freundschaft entwickelte.

    Liebe Nadia Shehadeh, ich empfehle Ihnen, solchen Situationen, in die sie bestimmt auch zukünftig geraten werden, mit mehr Gelassenheit und milder Ironie zu begegnen. Meine türkische Freundin, die im Laufe einer Unterhaltung im Cafe von einer älteren Frau arglos gefragt wurde, ob sie Putzfrau sei, antwortete schlagfertig: „Nein, ich bin Computerspezialistin, für´s Putzen halte ich mir eine Deutsche, die machen das gründlicher!“ Diese Freundin hat übrigens das von Ihnen so bezweifelte deutsche Bildungssystem konsequent ausgenutzt und sich hier von der Hilfsarbeiterin in einer Wäscherei zur IT-Lehrerin hoch gearbeitet.

    Ich möchte noch hinzufügen, dass ich nicht aus der Abgeschiedenheit eines Zehlendorfer Villen-Biotops heraus argumentiere. Dieses habe ich freiwillig verlassen und genieße nun im Neuköllner Rollberg-Quartier unter zwei Dritteln Migranten das echte Gefühl, in einer Minderheit zu leben. Trotzdem fühle ich mich wohl, arbeite hier mit Jugendlichen und habe auch keine Angst, wenn ich „so einem richtigen Araber mit Bart“ begegne, nicht mal, wenn er in salafistischem Gewande und mit Handy daherkommt. Dafür kann ich inzwischen vielleicht auch besser Buschkowskys Argumente verstehen. Besser jedenfalls, als jene, die weit weg von der Neuköllner Realität residieren und nun über ihn herfallen werden. Von denen sollten Sie sich nicht in Ihren (Vor-)Urteilen bestärken lassen. Sonst werden Sie sich ewig in diesem Lande unwohl fühlen, das trotz aller berechtigten Kritik doch einige Vorzüge zu bieten scheint. Nicht bloß autochthone Deutsche meinen das, ich nenne hier nur Seyran Ates, Güner Balci und Necla Kelek, deren Lektüre sicher Gewinn bringt.

    Übrigens: Was hat Sie bewogen, sich in Ihrem Blog ausgerechnet den Namen „Shehadistan“ zuzulegen?

  41. demmrink sagt:

    Hier ein erfrischend offenes Interview mit Güner Balci über das Buch auf Deutschlandradio
    [audio src="http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2012/09/25/drk_20120925_1510_3b838396.mp3" /]

  42. Frank-Uwe Albrecht sagt:

    Hallo, liebe Nadja, ich habe Ihren Text gerade online in der Zeitung „Neues Deutschland“ vom 29.09.2012 gelesen und möchte Ihnen dafür herzlich danken. Mir sind sowohl Buschkowskys als auch Sarrazins Bücher sehr zu wider. Andererseits wundert es mich nicht, dass dieser Schund so viele „Abnehmer“ findet. Leider gilt in diesem Land, dass Lügen, die in BILD und anderen rechtskonservativen Zeitungen immerzu wiederholt werden, nach einer Weile ohne weiter nachzudenken als wahr zur Kenntnis genommen werden. Hinzu kommt, dass sowohl Buschkowsky als auch Sarrazin für die von ihnen beklagten „Missstände“ mit verantwortlich sind, denn viele Entwicklungen fallen in deren Regierungszeit. Nun wollen sie sich vom deutschen Stammtisch beklatschen lassen. Das ist für sich genommen schon schlimm genug, passt aber irgendwie zur deutschen Nachkriegspolitik.
    Ich wünsche Ihnen viel Kraft und Mut, dagegen anzukämpfen. Alles Gute.

  43. rutzel sagt:

    Reblogged this on thaelmannpark.

  44. 'Murican-by-Choice sagt:

    in deutschland redet, diskutiert und debattiert man, leider bekommt man aber dadurch anders als es das sprichwörtliche „totreden“ suggerieren würde, garnichts tot. oftmals ist sogar genau das gegenteil der fall. ständige diskussionen sind für soetwas quasi wie tupperware und frischhaltefolien. vor lauter streiten vergisst man dann das handeln, oder ist „danach“ zu müde und schwach, um überhaupt noch etwas bewegen zu können oder zu wollen. danach beginnt die „phase II“ die einen entweder mit der konsequenten ignoranz bekannt macht, oder trotzigkeit und ablehnung halten dann erstrecht einzug, undzwar nachhaltig und dauerhaft. in diesem lande ist inzwischen so einiges sehr verkrustet und verhärtet, das man schon garnichtmehr weiss, wo man bei einer auflistung beginnen sollte, und wo deren fernes ende zu vermuten wäre. was nadia erlebt hat, macht in der summe sicherlich irgendwann auch den stärksten und optimistischsten kämpfer schwach und mürbe, mir selbst sind solche dinge ebenfalls nicht fremd, weder aus eigenen direkten erfahrungen im lande (lustiger nachname, da polnische abstammung) als auch durch indirekte erfahrungen von und mit freunden (geboren und aufgewachsen in einem absoluten moloch, sozialer brennpunkt aus/durch aufs abstellgleis gestellten „ethnischen eintopf“ aller wildester zutaten). mit heranreifenden alter und ebenfalls mit der zeit gereifter denkschärfe, und der trainierten und stets bewusst selbst ausgebauten fähigkeit zum reflexiven analysieren aus interesse , kann und mag ich mich inzwischen selbst nichtmehr so recht mit diesem land identifizieren. das geht aber nicht soweit das ich aktiv rebelliere oder gar versuche meinem frust luft zu machen, durch diverse schädigende destruktive verhaltensweisen.
    motto heisst: in kauf nehmen, solang bis es kracht, denn eisberge weichen auch den größten schiffen nunmal nicht aus, wie wir wissen. nur die tragik hierbei ist, das man diesen eisberg schon hätte kommen sehen können, von sehr weit her am horizont. die fühler in richtung wonderland America sind bereits ausgestreckt, und je schlechter und madiger man es einem hierzulande in den medien auch zu machen versucht, (verschwörungs dokus im TV in dauerschleife, aus dem kontext genommene aussagen und sachverhalte „befragter/betroffener“, in allen einschlägigen hiesigen medien und platformen, print sowie neue medien etc.“ umso mehr zieht es mich dorthin. deutschland spricht mit besorgnis vom demographischen wandel, beklagt fachkräftemangel , und vergrault sich zugleich viele der hoffnungsträger, die all diesen sorgen eines tages erfolgreich entgegentreten könnten. zum wohle der nation, ganz gleich ob im völkisch-ethnischen sinne oder doch einfach nur als „neu deutscher“ sprich als jemand mit migrationshintergrund. „team germany“ kann es sich nicht leisten, bei der besetzung seiner posten vorrangig sog. „bio deutsche“ zu bevorzugen, tut dies aber grad in diesen zeiten wieder konsequenter denn je, (nach ’45).

    rassismus und solche und ähnlich geartete ressentiments sind dem zeitgeist wie es scheint immer einen schritt vorraus, man betrachte nur allein die aktuelle debatte im fall „jakob augstein – henryk broder“. der gute alte antisemitismus, wie man leider stark zynisch sagen muss, scheint inzwischen auch wieder salonfähiger denn je (again, after ’45) und er kommt , und das ist die besonderheit, in ganz neuem gewand daher. er ist subtil, oft gern auch verborgen hinter, zumindest nach eigenem bekunden und selbstverständnis, gesellschaft-und sozialskritischem pseudo akademischen welt-erklärer gehabe. konnte man vor 10 jahren solche und andere phänomene noch zielsicher immer dem radikal rechten spektrum zuordnen, sind es jetzt die „im zweifel links“ augsteins, die ihren gedanken in dieser richtung wohlformuliert, aber miserabel recherchiert (absichtlich?) öffentlich einem breiten publikum präsentieren.

    wenn deutschland mal das land der dichter und denker gewesen sein will, anno 2013, ist es jedoch ganz klar höchstens nur noch ein land der richter und henker.

  45. Garip Bali sagt:

    Gratulation für deine mutige und politisch aufrechte Haltung. Deine Beobachtungen und Feststellungen hast du sprachlich und sachlich sehr gut dargestellt. Mit allen rassistischen Denkweisen und Handlungen muss noch eine Abrechnung auf allen Ebeben geführt werden. Danke für deinen Beitrag. Es bedarf noch vielen Nadia’s 😉

  46. […] Das würde ich weder als larmoyant, noch als Ich-zentriert abcanceln, und auch ich habe schon solche Texte geschrieben. […]

  47. […] Buschkowsky: Die Stimme des Blutes deines Bruders […]

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