Liebe Mely Kiyak!

Flickr (c) Bilal Kamoon

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Entweder, man will sich gegen rassistische Gewalt in Deutschland engagieren, oder man verzichtet auf Kolumnen, die sich engagiert für den Erhalt rassistischer Sprache – und dann auch noch in Kinderbüchern – einsetzen.

Liebe Frau Kiyak. Ihr Text zur Kinderbuchdebatte. Wo soll ich anfangen? Ja, Familienministerin Kristina Schröder ist von Beruf: Familienministerin. Viele Menschen finden Frau Schröder nicht so knorke, weil sie sich ab und an schon mal mit wenig ehrbaren Aussagen und Einstellungen etwas hervorgetan hat. Geschenkt. Das heißt aber nicht, liebe Frau Kiyak, dass ALLES was Frau Schröder sagt Mumpitz ist. Wenn Frau Schröder zum Beispiel sagt, dass sie Antisemitismus schlimm findet, dann sollten Sie nicht einfach nur aus Reflex das Gegenteil sagen.

Außerdem, Frau Kiyak, was bringt sie dazu in Ihrem Text Vokabeln wie „fremdländisch“ und andere, die ich hier nicht mal zitieren will, zu verwenden? Haben wir in den letzten zweieinhalb Jahren nicht wie die Berzerker darum gekämpft, eben diese Stigma-Sprache langsam aus dem Feuilleton zu entfernen? Oder sitzen Sie etwa dem Irrtum auf, Rassismus würde nur am Rande der Gesellschaft stattfinden, in Terrororganisationen wie der NSU etwa? Das ist alles so hohlbananenschalig, so langweilig, dass ich ehrlich gesagt nicht mal weiß, was ich jemandem wie Ihnen da noch sagen soll.

Sie machen sich über Politische Korrektheit lustig. Herzlichen Glückwunsch: Das tun andere auch. Beziehungsweise, auch andere sind Kämpfer für einen Sprach-Rassismus, der ewiggestriger nicht sein könnte. Wir haben eine ganze Armee von Political-Correctness-Mafia-Verschwörungstheoretiker_innen, die Kritik und Sprachwandel nicht von Zensur unterscheiden können, mit schnarchnasigen Anführer_innen, die so unoriginell sind, dass sie es nicht mal alleine auf einen Gaul schaffen würden.

Dabei haben genau das in den letzten Tagen – ach, eigentlich waren es nur 24 Stunden – so viele Leute – pro bono, umsonst, ohne Gage! – immer wieder alles erklärt, aber Sie, Frau Kiyak, tun scheinbar nur das, was so viele andere Berufsjournalist_innen tun: „Journalist_innen diskutieren irgendwie mit Journalist_innen über Sachen, die sie aus der Zeitung kennen.“ (O-Ton TheGurkenkaiser)

Frau Kiyak, Sie sind unsolidarisch. Und in Ihrem Fall ist das besonders enttäuschend, weil viele Leser_innen da draußen –  unter anderem auch viele aus der aktivistischen Schwarzen Szene, die Sie bisher immer unterstützt haben – jetzt so von Ihnen auf die Fresse kriegen. Weil Sie halt irgendwas nicht richtig verstanden haben (oder eben auf die Schnelle die Zeichen für Ihre Kolumne voll kriegen wollten).

Was Sie wissen sollten: Sie legen nicht fest, wer nun von Rassismus, rassistischer Gewalt und Diskriminierung betroffen ist. Überraschung!

Und dann will ich Ihnen noch sagen: Wenn Leute wie Sie die gängigsten Rules against Racism nicht auf die Kette kriegen, Sie aber in Presse und Öffentlichkeit die sehr verantwortungsvolle Aufgabe haben, den behördlichen und gesetzlichen Umgang mit rassistischem Terror in Deutschland zu dokumentieren – dann wundert mich ehrlich gesagt nix mehr.

Und wenn ich mir Ihre letzte unoriginelle Kolumne so angucke: Ganz ehrlich, wenn ich wahrscheinlich nicht schon gelabeltes Mitglied der „Sprachpolizei“ wäre – spätestens jetzt würde ich mich auf der Sprachpolice-Academy anmelden. Und nun können Sie wegtreten.

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14 Gedanken zu „Liebe Mely Kiyak!

  1. Petra sagt:

    HA HA HA! Richtig! Das hat meinen Tag immens versüßt. Danke Frau/Herr Shehadistan. Weiter so! Ich ziehe meinen Hut.

  2. Frau_Wald sagt:

    „Die Weißen benennen Menschen so, wie es ihrem Weltbild entspricht, und die Weißen schaffen es wieder ab, wenn es ihnen nicht mehr in den Kram passt. Es folgt den Regeln der Weißen (…)“
    Daa hat Kiyak m.E. nach völlig recht.

    Shehadistan findet auch wichtige Ansätze, aber mir ist dieses „von oben herab“ in dem Text zu wider. Schade, dadurch verliert die eigentliche Intention an Stärke.

  3. halfjill sagt:

    Und dann noch schreiben: “ Ich besitze aus dem Unrast Verlag folgendes Buch: „Wie Rassismus aus Wörtern spricht“. Darin heißt es: „Fremddefinition ist Fremdbestimmung“.“ und einfach mal in den nächsten Satz alles reinhauen, was ihr an Fremddefinitionen in den Kopf kommt. #whynot

    Das Buch ist überings wirklich zu empfehlen. Aber es nützt nicht nur es zu besitzen und in das Bücherregal zu packen. Lesen is the key.

  4. […] hat heute einen offen Brief an Mely Kiyak verfasst. Es ist eine Antwort auf Kiyaks unsolidarischen Text zur Kinderbuchdebatte. Und eine […]

  5. Juju sagt:

    Krass. Ich bin echt enttäuscht von Mely Kiyak, so was von enttäuscht. Was will sie begriffen haben, wenn sie DAS nicht begriffen hat: Eine Wiederholung und Reproduktion verbaler Gewalt ist immer immer immer scheiße! Ist immer rassistisch! Ist immer (re)traumatisierend! Alleine das N-Wort auszuschreiben ist für mich (wieder mal) ein Schlag in die Fresse. Und dann noch der Inhalt, dem es eigentlich so sehr an konstruktiven Gedanken mangelt, dass ich kaum von Inhalt reden möchte. Was schlägt sie denn vor? Tja, ist eigentlich auch egal, weil sie sich offenbar nicht an Schwarze Menschen richtet, denn die wollen von Mely Kiyak – die einmal meine Heldin WAR – ganz bestimmt nicht in jedem zweiten Satz mit dem N-Wort mitten ins Gesicht geschlagen werden. Große Enttäuschung!

  6. […] sie wenigstens ankacken. Das werde ich immer einfordern, und wenn es sein muss, rege ich mich auch ordentlich auf, egal über wen. Biographische Texte jedoch sind keine “Fachpublikationen”. Im […]

  7. […] wollten die Publizistin und Schriftstellerin Sharon Dodua Otoo, Publizistin und Kolumnistin Mely Kiyak sowie Leo Fischer, Chefredakteur des Satiremagazins Titanic, unter der Moderation von taz-Redakteur […]

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