Was mit Feminismus, nix mit Flausch

Ja, ja, dieser ganze Krawall um Feminismus und einfache Sprache und Anschlussfähigkeit und die Frage, ob er jetzt inkludierend ist oder nicht. Er ist wahrscheinlich im weitesten Sinne nix von alledem, und das Ganze wird sich z.B. in dem Blogkontext hier vielleicht in dem Sachverhalt äußern, dass einige meiner Leser_innen, die bisher noch nie etwas mit Feminismus zu tun hatten, sich dieses Ding hier (vielleicht) durchlesen und sich denken: „Alter, was hat die denn jetzt schon wieder für Probleme.“

Und insgeheim weiß mensch das auch irgendwie, beziehungsweise, ich weiß es, beziehungsweise, ich bilde mir ein dass es so ist, denn empirische Studien habe ich dazu natürlich noch nicht durchgeführt. (Und igitt, harrr, sie hat „empirische Studien“ gesagt, diese Exkludiererin.)

Naja, und dann wird damit rumgelaufen, und das ganze Gezanke um leichte Sprache wird sich angeguckt, und just for the record: Ich war nicht auf dem Barcamp (tut nix zur Sache), aber ich habe zum Beispiel das hier gelesen. Und just for the record: Ich habe nichts gegen einfache Sprache, aber ich weiß, viele meiner verehrten Leser_innen, die hier ab und zu mal wegen Musik oder sonstwas reinschauen, werden spätestens jetzt winke-winke machen, wahrscheinlich. 

Und dann fliegt mir gestern Abend ein Text vor die Nase, der mir das Herz aufgehen lässt: „Feminismus ist hart„. Und da stehen so viele, so viele gute Sachen drinne, so richtig geile Sachen, dass ich mich gar nicht genug bedanken kann. Da wird erklärt, warum Feminismus so schrecklich akademisch daher kommt. Da wird gesagt, warum es so wichtig ist, dass Pseudo-Wissenschaft richtige Wissenschaft gegenüber gestellt wird. Das aber trotzdem ganz viel Luft aus allem rausgehauen wird, wenn nur Blabla – und eben nicht mehr – gemacht wird. Wenn es zum Beispiel um die seit Ewigkeiten bejammerten Ungerechtigkeiten wie Lohnunterschiede geht. Und spätestens jetzt haben sich wahrscheinlich die letzten nicht in der Filter-Bubble eingerichteten Leser_innen verabschiedet. Farewell, my Friends.

Ist mir aber auch eigentlich egal, denn die Bubble, dieses total nervige Ding, in dem ich mich halt auch bewege, führt manchmal halt zu ganz tollen Sachen. Zum Beispiel zu Passagen wie diesen, zu denen ich einfach nur sagen kann: Ich kann meine Gefühle für diese Aussagen gar nicht in Worte fassen, aber wer eine grobe Idee haben will, der schaue sich dieses Gif an. Weil:

„Es ist nicht DER Feminismus der heutzutage alles akademisch macht. Es ist eine Abwehrstrategie der Privilegienheinis, jede – wissenschaftlich – gesicherte Erkenntnis anzuzweifeln und so in den pseudoakademischen Diskurs zu zerren. Das Problem sind die Alles-ganz-easy-Feminist_innen, die diesen Schritt mitgehen und denken, man kommt gegen einen privilegiengestützten Pseudowissenschaftsdiskurs mit Alles-ganz-easy-zu-erklären-Argumenten an. Nope. Wir können Pseudowissenschaft mit wirklicher Wissenschaft bekämpfen und andere von uns können Pseudowissenschaft ignorieren und in der Bubble tolle Dinge tun und darin Platz für mehr Leute schaffen. Was Bullshit ist, ist sich an einem Spiel zu beteiligen, das so hingebastelt ist, dass eine_r nicht gewinnen kann.“

Und überhaupt, wenn wir hier also primär ein interdisziplinäres Movement sind von Leuten, die verschiedene Ressourcen haben: Wie Banane ist es da eigentlich, den ganzen Tag einzufordern, die Leute sollen gefälligst „alltagssprachlich“ da diese ganzen Gender-Probleme aufbereiten, weil-sonst-versteht-das-ja-kein-Schwein? Machen wir uns nix vor, in der Bubble hocken doch primär akademisch-verseuchte und gut ausgebildete Personen, viele von denen geisteswissenschaftlich eingenordet, und ich frage mich: Wer bittet denn den ganzen Tag Naturwissenschaftler_innen darum, sich bitte LEICHT und FÜR ALLE und überhaupt so furzig und easy (und BITTE NICHT AGGRESSIV WENN EINER WAS NICHT VERSTEHT!) auszudrücken? Ey-und-wenn-ich-es-nicht-verstanden-habe-wie-das-ist-mit-F-Tests-dann-erklär-es-mir-doch-noch-hundertmal-weil-ey-Du-hast-doch-nix-Besseres-zu-tun!

Ja, ja, Alter, ich kann gleich mal in irgendein Nerd- oder IT-Forum gehen und die geschätzten Kolleg_innen da mit meinen zero-Skillz zu Computer-Zeug behelligen und Fragen Fragen Fragen stellen, und I promise, die werden nachdem sie dreimal mein Nicht-Checker-Zeug beantwortet haben auch… ja, sagen wir: leicht angenervt sein, und wisst Ihr was: könnte ich voll verstehen. Und dieses Beispiel ist nicht von mir sondern von Daniel, und darüber wollte er irgendwann mal bloggen, und ich hoffe inständig er macht es noch.

What can I say? Ich schließe mich an: „Ich wünsche ganz viel Glück mit diesem halbgaren Und-alle-so-yeah-Feminismus.“ Wer irgendwas Flauschiges mit ganz viel Spaß und Spannung und Schokolade haben will, die_der kann sich ja ein Überraschungsei kaufen. Und hoffen, dass ein Miniatur-Furby drin ist.

Und ansonsten, psssst: Wenn Du keine Feminist_in bist, wenn Du Dich nicht in feministischen Netz-Zusammenhängen bewegst, wenn Du aber trotzdem bis zu diesem Satz alles fertig gelesen hast, dann kann ich Dir nur sagen: Du hast meinen vollen Respekt. Und zum Abschluss: Musik.

http://www.dailymotion.com/video/xhj97h_inxs-baby-don-t-cry_music

Getaggt mit , , , ,

26 Gedanken zu „Was mit Feminismus, nix mit Flausch

  1. tina sagt:

    Oooh, schön gesagt! Ja, ich muss sagen, irgendwie ist es fast bezeichnend dass grad im (bzw. besser gesagt: über den) feministischen Kontext den diskutierenden Frauen immer wieder angetragen wird mal „verständlicher“ „weniger aggressiver“ „verständnisvoller“ „weicher“ zu werden weil Leute ja sonst „ANGST“ bekommen (aber, HAHA, Frauen sind ja auch eh die besseren ErzieherInnen, das Ganze erinnert mich bald an reproduktiven *Für-Frauen-kram, schlimm). Gähn.
    Danke!

    • maziarworld sagt:

      Naja, Frauen sind ja auch eh die besseren ErzieherInnen, also ihr habt uns die … eingebrockt.
      Wenn jeder denkt, dass er/sie der besseren Gattung angehört, verschärft das Problem. Außerdem hat die Geschichte uns gezeigt, wohin die Denkweise die Menschen hinführt.
      Mit Feminismus haben viele Menschen Probleme, weil sie voraussetzt, dass es zwei Sorten Menschen gibt. Viele denken, dass ein paar Menschen wollen mehr Rechte für ihrer Gattung. Aus diesem Kontext kann vielleicht Alois Schwarzer etwas gewinnen und ihre Bücher verkaufen, aber der Weg wird steinig und schwer…
      Die Geschichte und die Gegenwart(Rassismus, …) haben uns gezeigt, dass es nur eine Gattung bei den Menschen gibt/geben muss.

  2. totalreflexion sagt:

    Einige Anmerkungen und Ergänzungen:

    1. der verlinkte taz-Artikel hat mit der tatsächlichen Diskussion auf dem Barcamp sehr wenig zu tun (ja, damit ist meine Positionierung klar).

    2. der Unterschied zwischen den meisten Naturwissenschaften und feministischer Wissenschaft besteht in erster Linie darin, dass es den meisten Naturwissenschaftler_innen, die ich so kenne, nicht besonders wichtig ist, gesellschaftlich etwas zu bewegen, Awareness für ihr Thema zu schaffen oder Strukturen aufzubrechen. Die meisten Feminist_innen und feministischen Wissenschaftler_innen, die ich kenne (inkl. mir) haben diesen Anspruch schon. Oder anders gesagt: mit meiner feministischen Forschung will ich was bewegen, mit meiner mathematischen Forschung war mir immer egal, ob das jemand versteht oder nicht, weil das keinen Einfluss auf die Kultur hat, die mich umgibt. Deswegen bin ich dann auch beim Feminismus geblieben und nicht bei Mathe. Deswegen hinkt der Vergleich für mich aber auch.

    3. Das führt dann als nächstes zu der guten alten Frage: Idealismus und/oder Realismus?
    Von wissenschaftlicher Seite verstehe (und liebe) ich Deinen Text ebensosehr wie den Text von thinkpunk. Von der politischen Seite sehe ich aber Dinge anders und bin der Meinung, dass es Übersetzung braucht. Ich bin gerne die Erklärbärin und muss dann darüber nachdenken, wie ich das schaffen kann (dazu gehört auch: derailing erkennen können bzw. zu unterschieden, ob jemand derailing Argumenten ’nur‘ aufsitzt oder sie aktiv befördert). Und ich bin im Übrigen der Meinung, dass es möglich ist, wissenschaftlich fundiert zu argumentieren und gleichzeitig anschlussfähig und verständlich zu sein – insbesondere Wissenschaftler_innen aus anderen Ländern als Deutschland können das extrem gut. Von denen können deutsche Akademiker_innen noch einiges lernen.

    4. Also sehe ich es als Arbeitsteilung. Sowohl zwischen Gruppen (als auch zwischen meinen verschiedenen Rollen): Es muss kluge Analysen geben und die dürfen auch wütend sein. Aber wenn wir wirklich etwas bewegen wollen, wäre es manchmal schön, wenn wir Eklärbärinnen nicht mit einem „boah, was für ne Veranstaltung war DAS denn, wenn da solche Texte bei rauskommen“ empfangen werden (zumal eigentlich allen klar sein dürfte, dass journalistische Texte manchmal nicht ganz nah an der Realität sind, v.a. dann wenn diese sehr komplex ist).

    5. was ich mir wünsche: mehr solche Texte und zugleich mehr Unterstützung. Denn dass Feminismus hart ist, das weiß ich zur Genüge. Ich weiß auch aus vielen Erfahrungen in allen möglichen Organisationen, dass ich mich auf harte Fakten beziehen muss und wie notwendig fundierte Wissenschaft dafür ist. Und von „halbgarem alle-so-yeah“-Feminismus kann eins weit entfernt sein, auch wenn eins nach Übersetzungen sucht. Wer das bezweifelt, unterhält sich vielleicht mal mit Sabine Hark oder Antke Engel.
    Ich kenne Derailing und ich traue mir aber auch zu, zu unterscheiden, wo ich gegen derailing-Mauern renne und wo es kleine Möglichkeitsfenster gibt, durch die ich Feminismus irgendwo einspeisen kann. Wenn ich aber das Gefühl habe, meine eigene feministische Peergroup pisst mich an, dann macht mich das traurig. Fürs nächste Mal würde ich mich freuen, wenn die Wut sich nicht gegen die Veranstaltung richtet, auf der eins selbst nicht war und stattdessen die Frage aufwirft, was da wirklich diskutiert wurde.
    dann kann ich mit allem d’accord gehen. so fühle ich mich aber immer auch ein bisschen angegriffen. leider.

  3. Helga sagt:

    Boah, wie ich diese Debatte langsam satt habe. Lauter Leute die nicht auf dem Barcamp dabei waren, aber wissen, was da debattiert wurde.

    Was leider völlig übersehen wird, ist die Frage, mit wem wir über Feminismus sprechen. Verlangt irgendwer, dass in feministischen Zeitschriften jetzt Alltagssprache kommt oder auf Fachkonferenzen? Nein. Aber Newsflash, auch Naturwissenschaftler_innen müssen außerhalb ihrer Filterbubble für verständliche Sprache sorgen. Das klappt nicht immer, aber auch daran wird gearbeitet.

    Inzwischen hab ich schon gehört „ich spreche ja anders mit verschiedenen Leuten, je nachdem wie sie zu Feminismus stehen“. Da kann ich nur sagen Glückwunsch, andere finden das halt gerade heraus, wie das funktioniert und haben Bedarf, sich darüber auszutauschen.

    Oder die Debatte um einfache Sprache für Menschen mit Lernschwierigkeiten und Nicht-Muttersprachler_innen. *Darum* ging es, nicht „mimimi ich will alles hinterher getragen bekommen“. Es ging auch nicht darum, Feminismus mehrheitsfähig zu machen und alles Kontroverse über Bord zu schmeißen.

    Niemand, aber auch wirklich niemand beim Barcamp und niemand, den/die ich sonstwie kenne, fordert die Abschaffung akademischer Sprache. Aber es gibt Menschen, die sich über die Vermittlung von Feminismus Gedanken machen. Das ist nicht flauschig, im Gegenteil, auch das ist Arbeit. Derzeit landet Mensch damit eher im undifferenzierten Shitstorm. Muss das sein?

    • shehadistan sagt:

      „Ich war nicht auf dem Barcamp, aber ich habe zum Beispiel das hier (taz-dingsbums-verlinkung) gelesen.“

      Heißt, mir geht es auch nicht um das Barcamp, sondern um diese allgemeine unerquickliche Debatte, die seit langem tobt, und die vordergründig so tut, als sei das Feminismus-Problem vordergründig ein Kommunikationsproblem. „Feminismus = nicht erfolgreich weil ihr nicht erfolgreich kommuniziert.“ N-o-e-s, sage ich dazu.

      Mit Feminismus ist keine Torte zu gewinnen. Das ist mittlerweile meine (individuelle) Meinung, und ich will nicht sagen, dass ich mich damit abfinden würde, aber es ist mein Resümee.
      Und natürlich wird es immer unterschiedlich gelagerte Diskurse geben, und (i quote): „Ganz viele unterschiedliche Kommunikations- und Ansprachestategien sollten nebeneinander einfach mal OK sein, weil förderlich. Genau so, wie ganz viele unterschiedliche Wissens-/Ressourcenbackgrounds ja auch als förderlich erkannt werden.“ So far, so good.

      Ich möchte aber mal sehen wie Steuer-Experten, Politiker_innen oder sonst-wie-wer ständig behelligt werden, „doch-bitte-in-einer-leicht-verständlichen-Sprache“ zu sprechen, und zwar in einem Ausmaß, das merkwürdige Ausmaße hat. Die Gründe für die Masse an Abwehrreflexen sind doch vielleicht/sicherlich wieder andere. Die Botschaften des Feminismus sind weniger schwer zu enthüllen als angemakelt wird. Sie sind sogar wie gesagt sehr einfach. Aber Feminismus ist für viele nun mal kein geiler Shice.

      Themen der Inklusion und der Anschlussfähigkeit des Feminismus finde ich gut und wichtig, vor allem, um mal dieses weiße-Mittelschichtsdingens da ein bisschen heraus zu kriegen, aber ich finde, dieser „Nebenkriegsschauplatz“ wird mittlerweile als Hauptfeld ins Visier genommen, denn: Wenn es darum geht, sich um „die Vermittlung von Feminismus Gedanken“ zu machen, dann sage ich (just my two cents): es ist nicht allein ein Problem der Sprache, sondern es ist das Problem, das Feminismus bei vielen erstmal so direkt auf Abwehrreflexe stößt.

      Ich stelle die noch steilere These auf: Würde man empirisch untersuchen, warum Menschen Zugewandtheit oder Abkehrreflexe zum Thema Feminismus in sich tragen, wäre die Sprache wahrscheinlich eine der eher hinter-rängigeren Bastionen.

      Und: Muttersprachler_innen da als Argument zu nehmen zB, das zieht auch nicht, weil die Muttersprache nichts aussagt über den Zugang und Teilhabe an der Sprache der Mehrheitsgesellschaft. Was aber auch schnurz ist weil wir ja nicht über die Barcamp-Debatte sprechen.

      All in all: Das ist das, was ich sagen wollte, deswegen danke nochmal für den Hinweis, dass das taz-Dings wenig mit dem Barcamp zu tun hat (auch an @totalreflexion).

      • Helga sagt:

        Ich glaub, die Debatte „wenn Feministinnen nur netter/verständlicher/weniger x/ mehr y wären, wär alles gut“ hat jede der Teilnehmer_innen des Workshops schon mal geführt und selbst erlebt, dass netter/verständlicher/ weniger x/mehr y bei Abwehrreflexen nichts bringt. Gerade deswegen ist es so furchtbar frustrierend wenn diese Debatte rausgeholt wird und all die anderen Punkte des Workshops untergehen. Wegen eines taz(!)-Artikels (da fasse ich mir jetzt seit Tagen an die Stirn).

  4. dachstuhl sagt:

    ich kann dem 100% zustimmen. außer das es eine falsche definition von flausch benutzt und damit auch wieder den flausch-begriff „kaputt macht“. naja. ansonsten aber danke. ❤

  5. lantzschi sagt:

    Ok, halten wir also fest: der Barcamp-Workshop enthielt keines der kritisierten Argumentationen. In der taz steht das letztendlich doch genau so drin. Vielleicht ist der Artikel dann tendenziös, weil die Autorin schon mit einer vorgefertigten Meinung in den Workshop gegangen ist und eher ihr eigenes Empfinden in ein paar Sätze gepackt hat, statt den Workshop zu dokumentieren. Right. Genau dieser Artikel wurde aber bisher kritisiert und nicht in erster Linie das Barcamp. Ich verstehe also nicht, warum sich Teilnehmer_innen und Organisator_innen dermaßen auf den Schlips getreten fühlen, wenn es gar nicht um sie und vorrangig nicht um das Barcamp geht. Die Kritik, die im Artikel von thinkpunk und hier formuliert wurde, ist ja eine allgemeine, die sich an Menschen richtet, die meinen, alles auf dem Silbertablett serviert bekommen zu müssen, obwohl sie die Ressourcen zur selbstständigen Wissensbildung haben oder warum Erkläbär_innentum nicht überall Früchte trägt. Nichts anderes wurde kritisiert. Bisher wurde in diesem Punkt auch nicht widersprochen.

    Stattdessen „Ich fühle mich angegriffen“ oder „Mir geht es um was ganz anderes“. Derailing anyone?

    Es gibt für Menschen, die sich frisch auf diesem „Terrain“ bewegen, zahlreiche Online-Angebote, in denen nicht mit Fachbegriffen oder Theoriegebäuden um sich geworfen wird. Ich würde sogar behaupten, in den meisten feministischen Blogs ist das so. Die feministische Blogosphäre ist groß. Warum fand das hier noch keinen Eingang in die Diskussion? Warum werden Ressourcen darauf verschwendet sich zu rechtfertigen und zu beklagen, statt ein paar tolle zugangsarme Blogs und Webseiten zu verlinken?

    Was mir dennoch auffällt ist die Tatsache, dass dieses „Terrain“ online bisher fast ausschließlich textbasiert vermittelt wird. Ausschluss Nr. 1. Außerdem haben nicht alle Internet. Ausschluss Nr. 2. Auch die, die online sein können, verfügen nicht automatisch über Ressourcen, sich dieses Wissen anzueignen. Ausschluss Nr. 3

    Zu Ausschluss Nr. 1: Mehr Videos, mehr Podcasts, mehr Präsentationen, Schaubilder, Grafiken, Comics, Musik, spielerische Zugänge. Die gibt es, auch im deutschsprachigen Raum. Es gibt allerdings nicht die Texte auf der einen und die anderen Dinge auf der anderen Seite. Es wurde schon viel der nicht-textbasierten Zugänge verlinkt, über sie geschrieben, Interviews, etc. Oder es geht alles ineinander. Auch das sollte denjenigen, die sich regelmäßig in der feministischen Filterbubble bewegen, bekannt sein.

    Zu Ausschluss Nr. 2: Online-Penetration, ökonomische Ressourcen – ein großes Feld, auf das auch Feminist_innen reagieren können/sollten. Tun sie, indem es v.a. in größeren Städten Archive, Bibliotheken, Cafés, Partys, Demos, Vernetzungstreffen, Veranstaltungen, Gruppen, Treffpunkte gibt, die auch Öffentlichkeitsarbeit machen oder präsent sind in den Stadtteilen oder Kiezen. Akademisches Vorwissen wird in den seltensten Fällen verlangt. Auch finden die in der feministischen Blogosphäre Erwähnung – ein entweder oder ist also hier nicht gegeben.

    Zu Ausschluss Nr. 3: siehe Anmerkungen zu Ausschluss Nr. 1 und 2.
    Ob theoriebasiert oder nicht, feministische Blogs sind nicht per se zugangsarm. Entweder weil die technischen Standards nicht barrierefrei sind oder „Einfache Sprache“ keine Verwendung findet oder es keine Schrift- und_oder Gebärdendolmetschung gibt. „Einfache Sprache“ meint hier das Übersetzen von Alltagssprache und Syntax in barrierearme Sprache http://de.wikipedia.org/wiki/Leichte_Sprache. Es gibt meines Wissens nach bisher keine Blogs, zumindest nicht in der feministischen Blogosphäre, die „Einfache Sprache“ benutzen. Sicher irre ich mich. Ebenso finden sich „Meatspace“ viele Barrieren, sei es durch Sprache oder Räumlichkeiten.

    Was mir an der Diskussion bisher auffällt, ist: dass das innerhalb eines bildungsbürgertümlichen Argumentationsrahmens passiert. Feminismus = (theoretischer) Wissenserwerb und sicherer Umgang mit diesen (theoretischen) Wissensproduktionen oder bestimmten Argumentationen. Als sei das Problem vom Tisch, wenn alle wissen, wovon sie sprechen oder irgendeinen Bildungsgrad erreicht haben, „um mitreden zu können“. Als sei das das Ende der Inklusionsfahnenstange. Gesellschaft ändert sich auch nicht, wenn alle auf dem gleichen Wissensstand sind.

    Die wenigsten Menschen, die sich feministisch verorten, haben bestimmte Wissensfelder in einer Akademie studiert. Nicht mal die Mehrheit der Menschen, die sich feministisch verorten oder feministische Ideen und Gedanken im Alltag umsetzen, haben überhaupt irgendwas an einer Uni studiert. Die Menschen, die hier bisher dazu diskutieren, haben in der Mehrzahl studiert, sind viel online, haben Ressourcen zum Wissenserwerb. What’s crackin‘?

    Die Argumente wurden bisher ausgetauscht in einem Raum, der weder auch nur annäherungsweise heterogen in Bezug auf soziale Gruppen ist, noch diese Ausschlüsse ständig mitdenkt. Und hauptsächlich von Personen, die sich in dieser Gesellschaft wenig Gedanken um Ausschlüsse und Diskriminierung machen müssen. What’s crackin?

    Stattdessen werden Dichotomien bedient (Wissenschaft vs. Politik, Idealismus vs. Realismus, „fertige“ Feminist_innen vs Menschen, die sich „erstmal“ austauschen wollen, Menschen, die Gesellschaft verändern wollen vs. Menschen, die sich in ihre safer spaces zurückziehen) oder es wird verwundert aufgeblickt, wenn nicht alle Menschen innerhalb der feministischen Peergroup einer Meinung sind und es auch mal härter zugeht in der Argumentation. Wenn innerhalb dieser Peergroup kritisiert wird. Wer davon ausgeht, dass „wir“ (von wem auch immer hier die Rede sein soll, ich definiere mein „wir“ in kleineren Dimensionen als meine Vorrednerinnen) irgendwelche grundsätzlichen unveränderbaren Gemeinsamkeiten hätten, außer uns feministisch zu verorten und das als Selbstbezeichnung zu benutzen, der_diejenige geht davon aus, dass Feminismus im Netz irgendwas homogenes sei, irgendein bestimmtes Ziel hätte, das alle danach streben sollten mit den gleichen Mitteln, weil nur so Gesellschaft verändert wird. Wenn das kein Idealismus ist, dann weiß ich auch nicht. Der Bezugsrahmen bleibt dabei immer der gleiche: Eine feministische Blogosphäre. Wo bleibt da der gesellschaftliche Kontext, in dem diese Blogosphäre stattfindet?

    Diese Debatte immer wieder darauf herunterzubrechen, das Barcamp hätte sich diesbezüglich nichts zu schulden kommen lassen und ja nicht unberechtigterweise gegen die eigene Peergroup zu schießen, uff… Luxusprobleme. Ganz ehrlich.

  6. Odradek sagt:

    Vielen Dank für den großartigen Artikel!

    Die Forderung nach Kürze und Einfachheit verkürzt das Sagbare m.E. auf im jeweiligen Kontext Naheliegendes, d.h. manche Sachen lassen sich nicht leicht ausdrücken; vielleicht sogar die Relevanten. Wie sie zugänglich gemacht werden können ist eine andere – wichtige – Frage, aber wir sollten dabei nicht übersehen, daß das Arbeit und Übersetzung bedeutet. Überlegend, ob sich diese Arbeit jeweils lohnt, empfiehlt sich – „Burnout-Prävention“ 😉 -, zwischen Ignoranz und Unwissenheit zu unterschieden versuchen.

    Speziell der Vergleich mit Naturwissenschaft/IT war anregend. Hatte mal eine grantelnde Parodie zu Ähnlichem geschrieben. Es gibt m.E. einen entscheidenden Unterschied: Den Nimbus der „exakten Wissenschaften“. Tendenziell wird diesen Bereichen eher die Macht zugesprochen, Fakten festzulegen. Der populärwissenschaftliche Rechtfertigungsbedarf ist i.d.R. nicht so hoch wie beispielsweise für feministische (oder andere gesellschaftskritische, das sollte ja vielleicht kombiniert werden) Thesen. Das zeigt sich schon daran, wieviele Leute/Richtungen sich in „Scientists have shown“ Diskurse einzuschreiben versuchen; in „Geist“es-, Sozial- und Kulturwissenschaftliche eher seltener. Weiterer Beleg für diese Tendenz wäre auch die populärwissenschaftliche Anziehungskraft Neuro- Evolutions- und Genbiologistischer Erklärungen.

    Ein Aspekt, zu dem mir leider zZt. die tiefschürfenden Einsichten fehlen wäre – zumal die Sollbruchstelle des Elitismus unbedingt zu vermeiden wäre – ist Antiintellektualismus. Vielleicht hat ja jepserd Ideen/Material dazu.

  7. BoleB sagt:

    Fragt sich nur, was für ein Überraschungsei, so ein pinkes etwa? Ich les‘ mir jetzt erst mal den verlinkten Artikel durch und sag, was ich schon länger mal sagen wollte: Danke, dass es dieses Blog gibt!

  8. […] nun schreibt Nadia Shehadeh unter anderem, das schließlich von anderen Wissenschaften oder sonstigen entsprechenden Umfeldern […]

    • shehadistan sagt:

      Gelesen, auch den Crosspost bei Takeover, und die Kommentare, und zur Bubble: Ja, all wir „Arschgepuderten“ sind die Bubble, ich und Du und viele die wir kennen, und akademisch-verseucht meint in diesem Zusammenhang nicht „Studienabschluss“ sondern verinnerlichtes Wissen, dass wir da alle haben, nur der Vollständigkeit halber.
      Von Klassismus Betroffene anzugreifen liegt mir zudem (insgesamt) fern, wohl aber kann ich mal in den elitären Kreisen rumpopeln, die sich ständig Nachhilfestunden vonna Stange wünschen oder um jeden Preis mit dem Mainstream anbalzen würden.
      Greetz.

      • kiturak sagt:

        nja, aber es hat dann halt ganz offensichtlich zum guten Teil die völlig Falschen auf die völlig falsche Weise getroffen, und darum ging’s mir. Also da muss das Popeln einfach anders gehen. Hab ich ja auch schon oft genug verbockt.

        Bei dem mit der Bubble war ich bei Weitem nicht die einzige Person, die das falsch verstanden bzw. teilweise komplett danebengeraten hat. Gibt’s dann unterschiedliche Bubbles (also im Sinn dann von „geschütztem Raum“ oder „Wohlfühlraum“), je nach Privileg? Weil, Du (wie Ihr ja in dem Artikel zu der MMW5-Party geschrieben habt, wenn ich das richtig verstanden habe) oder auch ich gehören da ja bei Weitem nicht immer rein. … Mir kommt’s so vor, als würden den Begriff unglaublich viele Leute in komplett unterschiedlichen Bedeutungen rumschmeißen, und für mich ist es halt jedesmal ein Ratespiel, was gemeint ist.
        – und, was meinst Du mit verinnerlichtem Wissen? also, welches Wissen, akademisches Wissen oder verinnerlichte Diskriminierung? Oder noch was anderes?

      • shehadistan sagt:

        Mit „Bubble“ meine ich in meinem kleinen persönlichen Zusammenhang hier, in diesem kleinen Textchen hier, halt ein Kollektiv von Leuten, die im Internet Texte wie den da oben schreiben/lesen/diskutieren. Leute, die wissen, was ein „Barcamp“ ist. Und die sowas interessant finden. Leute, die plusminus die Wiisensvoraussetzungen haben für die Diskussion, weil sie sich in bestimmten Milieus, Räumen, etc., bewegen. D.h., ein Knowledge mitbringen, das nicht an institutional erworbenes Wissen gekoppelt ist, sondern an das Wissen um kulturelle Codes in diesen Räumen. (Und guck mal, der *Klugscheißer-Heini von sonstwo würde jetzt kommen und sagen: „Ja ja, diese Kiturak und diese Shehadeh, die schwafeln da jetzt über irgendwelche voluntaristischen oder strukturalistischen Dinger, aber naja, was willste machen, so sindse halt die Geisteswissenschaftler, so ein Geschwafel würd bei Ingenieuren nicht rauskommen!“) Und dieser Klugscheißer-Heini: den meine ich. Bzw., es geht mir um das Phänomen das Odradek ganz wunderbar umschrieben hat:
        „Es gibt m.E. einen entscheidenden Unterschied: Den Nimbus der “exakten Wissenschaften”. Tendenziell wird diesen Bereichen eher die Macht zugesprochen, Fakten festzulegen. Der populärwissenschaftliche Rechtfertigungsbedarf ist i.d.R. nicht so hoch wie beispielsweise für feministische (oder andere gesellschaftskritische, das sollte ja vielleicht kombiniert werden) Thesen. Das zeigt sich schon daran, wieviele Leute/Richtungen sich in “Scientists have shown” Diskurse einzuschreiben versuchen; in “Geist”es-, Sozial- und Kulturwissenschaftliche eher seltener.“

  9. totalreflexion sagt:

    Gerne antworte ich darauf:

    1. ja, es ging nicht explizit ums Barcamp. Wenn das aber in dem Kontext auftaucht und immer wieder negativ darauf verwiesen wird, dann reagieren die Organisator_innen natürlich auch darauf. Dürfte jeder Person selbst bekannt sein, die selbst mal Organisatorin war.

    2. ja, das Barcamp hat sich an manchen Stellen sicher was „zu schulden“ (auch wenn mir das Wort „Schuld“ nicht gefällt in dem Kontext) kommen lassen, darüber bin ich gerne bereit zu diskutieren. Und auch ich sehe Ausschlüsse.

    3. ja, ich rede von einer Peergroup (die übrigens explizit nicht (!) die Blogosphäre ist, weil ich mich da gar nicht dazu zähle), weil ich gemeinsame Ziele sehe. z. B. den Kampf gegen Diskriminierung und das wesentlich weitgreifender als nur in Bezug auf Geschlecht. Ich halte es auch für kein Luxusproblem, wenn sich ausgerechnet diese Gruppen so zerstreiten, dass nur noch Hass und Verachtung füreinander übrig bleibt. Ich kann mit Kritik und Anfeindungen leben. Was mich aber schmerzt ist das drumherum. Und da beobachte ich gerade Entwicklungen der Selbstzerfleischung statt des an-einem-Strang ziehens. Das ist ein Einfallstor für derailing galore!

    4. Wenn es ums Erklärbären geht, dann muss eins an manchen Stellen nunmal bildungsbürgerlich argumentieren. Denn wenn ich auf Seiten der Machthaber_innen argumentiere, dann hat es was mit Wissensaneignung zu tun.
    insofern finde ich es jetzt etwas wohlfeil darauf zu verweisen, dass es auch andere feministische Zugänge gibt und braucht. Die braucht es und die gibt es übrigens auch.
    Ich halte es aber generell für eine schwierige Strategie, immer wenn eine Diskussion am Laufen ist, als nächstes darauf zu verweisen, wo eins noch etwas übersehen hat. Das treibt die Diskussion ins Unendliche und verhindert am Ende wirklich jegliche Möglichkeit zu handeln. Es braucht manchmal Punkte, an denen innegehalten wird.

    5. keins macht hier Dichotomien auf ala “ Menschen, die Gesellschaft verändern wollen vs. Menschen, die sich in ihre safer spaces zurückziehen“. Aber zugeschrieben wird es einer.

    6. Sidefact: gerade an Steuerfachleute und Politiker_innen wird ununterbrochen herangetragen, sie mögen sich verständlicher ausdrücken. Auch und gerade in Bezug auf Politiker_innen gibt es Beißreflexe, die ein eigenartiges Ausmaß annehmen. Welche schon mal in der Politik gearbeitet hat, kennt das. nur spielt hier die Machtdimension eine bedeutende Rolle und es gibt ganz andere Möglichkeiten, diesen Diskussionen zu entgehen bzw. rütteln sie weniger an der eigenen Existenz.

    7. Ja, die Sprache wird vorgeschoben als Abwehrmechanismus gegen Feminismus. Aber über Sprache kann ich es auch ändern. das ist ein Teufelskreis, aber nun mal der Punkt.

  10. […] nun schreibt Nadia Shehadeh unter anderem, das schließlich von anderen Wissenschaften oder sonstigen entsprechenden Umfeldern […]

  11. […] Was mit Feminismus, nix mit Flausch. Is' mir zwar gerade zu lang, aber was Nadia sagt, ist selten völlig […]

  12. daMax sagt:

    Und ich so: yeeeaah!

  13. […] Mindestens einmal im Jahr redet ein Teil der feministischen Blogosphäre über Sprache und Vermittlung feministischer Perspektiven. Viel zu kompliziert, sagen die einen. Ja, aber… erwidern anderen, wie zum Beispiel Thinkpunk und Shehadistan. […]

  14. […] Ein Gastbeitrag von Nadia Shehadeh […]

  15. […] bin ich durchaus durch eine Diskussion der letzten Tage gekommen. Dazu haben u.a. @thinkpunk, Nadia Shehadeh und kiturak Artikel verfasst. Nicht zu vergessen unzählige passiv-aggressive Tweets und […]

  16. […] Diese beliebte These [normalerweise: wissenschaftliche Behauptung] wurde schon von @thinkpunk und shehadistan geäußert und keine*r scheint sich dran zu stören, dass dem immer wieder widersprochen wird. Zum […]

  17. […] Diese beliebte These [normalerweise: wissenschaftliche Behauptung] wurde schon von @thinkpunk und shehadistan geäußert und keine*r scheint sich dran zu stören, dass dem immer wieder widersprochen wird. Zum […]

  18. […] aussprach, im üblichen Kauderwelsch und in vielen Nebensätzen letztes Jahr einmal kurz verwurstet, und heute kann ich sagen: Die Botschaft ist damals wahrscheinlich nicht […]

  19. fb sagt:

    Als einer dieser Naturwissenschaftler/-innen muss ich hier anmerken, dass du uns unrecht tust. „A theory that you can’t explain to a bartender is probably no damn good.“ -Ernest Rutherford. Also führe uns bitte nicht in hypothetischen Diskursen („wenn ich … würde, dann würden die …“) als Kronzeugen an. Danke.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.